Die beiden Wassertürme von Gelsenwasser an der Westerholter Straße zwischen Herten und Recklinghausen sind Wahrzeichen der Region.
Und das nicht von ungefähr: Denn die beiden „Landmarken“ fügen sich malerisch in die Landschaft ein und sind wohl eines der am meisten fotografierten Motive auf der „Route der Industrie“.
Und: Einmal im Jahr – zum „Tag des Offenen Denkmals“ im September – kann man auf den älteren der beiden Türme steigen und oben auf dessen Plattform eine grandiose Aussicht über das Ruhrgebiet genießen. Die Crew von GELSENWASSER TV hat den Aufstieg gewagt. Und ist sich jetzt sicher: Der ist nur was für schwindelfreie und sportliche Menschen!
142 Stufen steil nach oben
Denn wer durch die schwere Eingangstür des 1908 erbauten Wasserturms kommt, muss nicht nur zunächst eine Treppe hoch, sondern auch 142 Stufen einer schmalen Wendeltreppe aus Metall erklimmen. Gegenverkehr darf man auf den schmalen Stufen genauso wenig haben wie Platzangst, Angst vor Dunkelheit oder Höhenangst! Unmittelbar vor dem kurvigen Aufstieg steht man mit dem Wissen vor der Wendeltreppe, dass über einem 4.000 Kubikmeter Wasser in einem Tank sind. „Da bekommt so mancher ein mulmiges Gefühl“, weiß Ulrich Prinzel, Leiter der Gelsenwasser-Betriebsabteilung in Recklinghausen. „Der Tank hat eine zwei Zentimeter dicke Stahlwand. Von außen sieht man die unzähligen Nieten, die seinerzeit von den Arbeitern alle einzeln per Hand angebracht wurden“, erzählt der Fachmann.
Damit der „Wasserkörper“ gereinigt werden kann, gibt es eine unten, erreichbar von einer Plattform, eine spezielle Öffnung. „In der Regel wird der Tank einmal jährlich mechanisch gereinigt. Das dauert dann bis zu einer Woche.“ Zwei dicke schwarze Rohrleitungen durchqueren den Raum direkt unter dem Tank. Durch die Leitungen fließt das Trinkwasser, das durch eine rund 20 Kilometer lange und bis zu 1,20 Meter dicke Leitung aus dem Wasserwerk in Haltern am See kommt.Wer sich die vielen schmalen Stufen der Wendeltreppe hinaufwagt, der wird oben belohnt: Einmal aus dem Dunkeln durch eine schmale Metalltür getreten, befindet man sich auf einer Plattform in 32 Metern Höhe. Und von dort lässt sich ein wunderbarer Rund-um-Blick über die Region genießen.
Konstruiert nach Otto Intze
Und auch der zweite Turm (29 Meter hoch) lässt sich von dort gut begutachten. Er steht etwa 45 Meter östlich und wurde 1934/35 erbaut. Anders als sein älterer Nachbar steht er nicht auf einem Unterbau aus Beton, sondern auf 16 kreisförmig angeordneten Stahlpfeilern mit Querverstrebungen. „Deshalb gibt es dort auch kein Wohnung, so wie in diesem Turm“, erklärt Ulrich Prinzel. „Dort wohnte früher der Turmwächter. Er achtete darauf, dass das Wasser nicht überlief.“ Heute übernimmt das die Technik, und die wird vom Leitstand des Wasserwerks Halterns überwacht.
„Die Konstruktion nach einem Patent von Otto Intze war damals extrem gefragt für Wassertürme“, weiß Experte Ulrich Prinzel. Denn der deutsche Ingenieur erkannte, welche Vorzüge Stahl für Wasserbehälter auf Türmen hatte. Er plante Behälter, die unten abgeschrägt waren, mit einem nach oben gewölbten Boden. Dadurch heben sich die horizontal wirkenden Kräfte gegeneinander auf. Die Wassertürme konnten daher schmaler gebaut werden und waren kostengünstiger.
Schon gewusst?
Otto Intze gilt als Begründer der modernen Wasserwirtschaft in Deutschland. Mehr zu ihm gibt es bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Intze.
Dieses patentierte Prinzip nutzte auch Gelsenwasser 1908 für den ersten Wasserturm in Herten. Wer sich von dessen Plattform wieder auf den – etwas mühseligen – Rückweg die Wendeltreppe runter macht, und dann Richtung Ausgang möchte, der kommt an einigen Räumen vorbei, in denen Gelsenwasser eine kleine Ausstellung zusammengestellt hat. Die „Zeitzeugen“ erzählen die Geschichte des Turms, aber auch der Wasserwirtschaft. Da hängt nicht nur der alte Konstruktionsplan an der Wand, sondern es finden sich auch alte Werkzeuge und Rohre. Vieles davon brauchen die heutigen Gelsenwasser-Mitarbeiter bei ihrer alltäglichen Arbeit längst nicht mehr. Schon seit 1982 läuft die Überwachung des Tanks automatisiert. Die Mitarbeiter des Halterner Leitstandes kontrollieren rund um die Uhr, ob alles in Ordnung ist.
9 Millionen Liter Trinkwasser für 70.000 Menschen
Immerhin werden mit den 9 Millionen Litern Trinkwasser, die zusammen in beiden Türmen gespeichert werden, täglich rund 70.000 Menschen in Recklinghausen und Herten versorgt! Immer nachts werden die Behälter gefüllt, „dadurch wird Tagesförderung des Wasserwerks gleichmäßiger und damit auch der Energieverbrauch“. Tagsüber wird das Wasser bis zum einem Mindeststand verbraucht. So hält Gelsenwasser einen Frischwasservorrat für so genannte Spitzenzeiten vor, also zum Beispiel für die Halbzeit beim WM-Finale, wenn alle gleichzeitig die Toilettenspülung drücken. Und gleichzeitig sorgen die Türme auch dafür, den Druck im Leitungsnetz gleichmäßig zu halten.
Beide Türme sind seit 1986 denkmalgeschützt.
Schon gewusst?
2012 zum 125-jährigen Bestehen von Gelsenwasser wurden beide Türme saniert und erhielten einen neuen blau-grünen Anstrich. Dafür wurden 1,7 Tonnen Grundierung, 1,8 Tonnen Farbe für die Zwischenanstrich und 1,3 Tonnen Farbe für den Endanstrich gebraucht. Die beiden haben zusammen 700 Quadratmeter Fassadenfläche.
Tag des offenen Denkmals: ohne Auto anreisen und mit festem Schuhwerk
Der nächste Termin steht jetzt an: Am 8. September 2024 kann man den westlichen der beiden Wassertürme an der Westerholter Straße in Herten erklimmen. Zwischen 11 und 17 Uhr werden unter Aufsicht immer kleine Gruppe einzeln (jeweils zehn Personen) auf die Plattform geleitet.
Unbedingt beachten: Um auf die Plattform zu kommen, sind Sportlichkeit und Schwindelfreiheit Voraussetzung. Festes Schuhwerk mit Profil ist ebenso ein absolutes Muss! Die „Kletterpartie“ ist nicht für Klein- und Kindergartenkinder geeignet. Es gibt keine Parkmöglichkeiten vor Ort, Anreise nur mit dem Rad oder zu Fuß.
Route der Industriekultur
Die beiden Türme sind Station der Themenroute 28 – „Wasser: Werke, Türme und Turbinen“ – der Route Industriekultur. Die erschließt auf einem 400 Kilometer langen Straßenrundkurs das industriell-kulturelle Erbe des Ruhrpotts. Dazu zählen 25 Ankerpunkte (Highlights) sowie 17 Panoramen der Industrielandschaft (Aussichtspunkte) und die 13 schönsten Siedlungen. Mehr zur Route Industriekultur gibt es auf http://www.route-industriekultur.ruhr/route-industriekultur.html.
Trainingsrevier für die Höhen- und Tiefenretter der Feuerwehr
Die Wassertürme sind auch ein beliebtes “Trainingsrevier” für Spezialisten der Feuerwehr des Kreises Recklinghausen. Die Höhen- und Tiefenretter üben dort für den Ernstfall. Gelsenwasser TV hat das Training mit der Kamera begleitet – und sich sogar selbst in luftige Höhe gewagt. Auch dazu gibt es ein tolles Video und einen Blogbeitrag. Schaut rein!
FOTOS & VIDEO
© GELSENWASSER TV
Hallo und guten Tag,
bis 1982 haben meine Eltern und Geschwister so wie ich den Wasserstand von einer Quecksilbersäule abgelesen und zum Pumpwerk Haltern durchgegeben. Es müßte zu den Zeiten, die vorgeschrieben waren, immer einer da sein. Die Zeiten waren Morgens um 6.00Uhr und 10:00 Uhr , dann wieder um 13:00 Uhr zur Mittagszeit und am Nachmittag um
16::00 Uhr und zum letzten mal gegen 20:00 Uhr. Im Jahr 1968 oder 1969 sind die Türme mal übergelaufen, das war ein Chaos denn die Linie 7 der Vestischen Straßenbahn konnte damals nicht mehr fahren da alles voller Wasser war.Oder als es 1968 in der Zeitung stand das der Wasserturm brennt.Im Keller war eine Koks Heizung installiert und meine Wenigkeit sollte Koks nachlegen gehen.Beim sogenannten Durchstochern viel Asche in eine Auffangschale. Diese Asche wurde in der Nähe vom gelagerten Altpapier auf einen Haufen geschüttet und später entsorgt. ( Hat immer Vater gemacht) Leider ist mir ein Stück heiße Asche auf das Papier gefallen und hat so das Papier angezündet aber ohne das ich es gemerkt hatte .Somit kam Freude auf, als der Keller brannte. Da hat man soviel Wasser übern Kopf ,aber zum Löschen mußte die Feuerwehr doch kommen. Das waren nur 2 kleine Geschichten. Es war eine schöne Zeit als Kind und Jugendlicher im Wasserturm . Später habe ich auch bei Gelsenwasser gearbeitet. Am 11.09.16 bin ich mit meiner Frau und meinem Enkel auch da.
Hallo Peter,
das sind ja wirklich tolle Geschichten! Ich war für den Film zum ersten Mal auf dem Turm und war fasziniert. Allerdings hat uns keiner erzählt, dass der Wassertank sogar mal übergelaufen ist und dass es mal gebrannt hat 😉 Wahrscheinlich wissen die meisten Mitarbeiter das gar nicht mehr. Hättest Du vielleicht mal Interesse an einem Interview? Ich fände es super, wenn wir unseren Film mit Deinen Kindheitserinnerungen und Anekdoten ergänzen könnten! Falls Du Interesse hast, kannst Du Dich gerne per E-Mail an blog@gelsenwasser.de melden.
Liebe Grüße vom GELSENWASSER-Blog-Team
Mareike
Tag des offenen Denkmal wird es wegen corona wohl erstmal nicht geben?
Das hängt von der Pandemie-Lage ab. Wir gehen derzeit davon aus, dass wir die Wassertürme erst wieder zum “Tag des offenen Denkmals 2022” öffnen können.
Guten Tag Frau Roszinsky, ich finde die Geschichte der beiden Türme ebenfalls sehr interessant. Wäre denn der Wasserdruck für alle Stadtteile kurzfristig ausreichend, falls der Strom ausfällt?
Also z.B. wenn ich in Röllinghausen im 2. OG wohne und der Strom ausfällt, würde dann das Wasser mit vermindertem Druck immer noch aus dem Hahn kommen?
Das wurde ja vermutlich 1908 nicht angedacht, weil in Röllinghausen damals nur wenige Häuser standen und die Bauern ihr Wasser aus eigenen Brunnen holten, nehme ich an, oder?
mit freundlichem Gruß
Kris Wagner
Hallo Kris,
Röllinghausen bezieht das Trinkwasser aus dem Wasserwerk in Haltern. Das Wasserwerk hat leistungsfähige Notstromaggregate, die bei einem Stromausfall den weiteren Betrieb des Wasserwerks sicherstellen. Betrieben werden die Notstromaggregate mit Diesel. Bevorratet werden ca. 90.000 l, was für etwa 2 Tage reicht. Um weiter mit Kraftstoff versorgt zu werden gibt es Absprachen mit den übergeordneten Krisenstäben. Die Wasserversorgung wird bevorzugt behandelt, da es sich um eine kritische Infrastruktur handelt. Auch bei einem Stromausfall kann also das Trinkwasser aus dem Wasserwerk ins Leitungsnetz gepumpt werden. Ein solches Szenario üben wir im Wasserwerk Haltern auch regelmäßig, dazu findest Du mehr in diesem Blogbeitrag: https://www.gelsenwasser-blog.de/stromausfall-im-wasserwerk-ueben-fuer-den-ernstfall/. Das gleiche gilt für andere Wasserwerke, z.B. an der Ruhr.
Über den Pumpendruck aus dem Wasserwerk Haltern können große Teile des Gelsenwasser-Netzbereichs bzw. der Kund*innen im Versorgungsgebiet auch bei einem Stromausfall ohne Einschränkungen weiter versorgt werden. Röllinghausen gehört dazu.