Im Landtag in NRW wurde eines der spannendsten Themen der aktuellen Politik diskutiert. Nicht Covid19 oder die Flüchtlingskrise an den Grenzen der EU sondern die Rolle von CO2-freiem Wasserstoff als Hoffnungsträger für den Spagat zwischen Energieversorgung, industrieller Produktion und dem Pariser Klimaschutzabkommen.

Die drei großen Chancen von Wasserstoff für Klimaschutz, Wirtschaft und Arbeitsplätze in NRW liegen laut Henning Rehbaum, energiepolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, in Mobilität, Stahl und Chemie. Während die Elektromobilität für kürzere, innerstädtische Strecken ihre Stärken ausspielen könne, sei Wasserstoff in Brennstoffzellen oder modifizierten Otto-Motoren für längere Strecken geeignet. Werde bei der Stahlproduktion im Schmelzprozess Wasserstoff statt Kohlenstaub eingeblasen, ließe sich ein großer Teil des CO2 vermeiden. Die Stahlindustrie wolle ihre Produktion bis 2050 auf Wasserstoff umstellen.

Die Landesregierung unterstützte sie über die Initiative IN4climate.NRW*. Zahlreiche kohlenstoffhaltige Grundstoffe könnten bis 2050 in der „Leitindustrie von NRW“, der Chemiebranche, durch Wasserstoff ersetzt werden.

 

Wissenschaft in IN4climate.NRW

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Bestehende Infrastruktur für Nutzung von Vorteil

NRW betreibe bereits das längste Wasserstoffnetz und den größten Elektrolyseur Deutschlands. Die politischen Weichen seien mit der Energieversorgungsstrategie und dem Prozess der „H2Roadmap“ gestellt.
Dabei steht in NRW nicht die Produktion des Gases im Mittelpunkt, sondern konkrete Anwendungen, Produktion und der Export von Wasserstofftechnik. Das ist folgerichtig, stammt doch laut Aussagen von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek schon heute jeder fünfte Elektrolyseur aus Deutschland.

Das vollständig ausgebaute Transport- und Verteilnetz für Gas wird aber kaum thematisiert. Dabei ist für den Wärmesektor weitgehend anerkannt, dass darin ein wesentlicher Vorteil liegen könnte, würden die Netze schrittweise für Wasserstoff aufgerüstet.

Power2Metal

Im Forschungsprojekt „Power2Metal“ will Gelsenwasswer gemeinsam mit der Voigt & Schweitzer GmbH, der Kueppers Solutions GmbH und der Westfälischen Hochschule herauszufinden, ob und wie Wasserstoff Erdgas als Brennstoff ganz oder zum Teil bei der Metallveredelung ablösen könnte.

Wo wird Wasserstoff erzeugt?

Aber wo werden die nötigen großen Mengen von H2 überhaupt erzeugt? Verkehr, Stahl und Chemie werden sicheren Zugang zu großen Mengen erwarten, bevor sie Milliarden in die technische Umrüstung investieren, so die Sprecher der Fraktionen CDU und FDP.

Unstrittig existiert ein Henne-Ei-Problem: Ohne Mengen keine Anwendungen – und umgekehrt.

Die Fläche Deutschlands könnte zu klein sein. Denn allein der Energiebedarf für Stahl, Chemie und Mobilität läge mit gut 700 Terawatt über unserer jetzigen Stromproduktion von etwa 600 Terawatt. Die Wärme ist hier noch gar nicht betrachtet. Laut Bundeswirtschaftsministerium und auch der EU-Kommission kann Wasserstoff in Nordafrika erzeugt werden – hierzu brauche es aber sichernde Abkommen auf EU-Ebene. Daher sind CDU und FDP der Auffassung, man müsse zunächst auf „blauen Wasserstoff“ aus Erdgas als Brücke zurückgreifen.

Bei der Farbenlehre scheiden sich die Geister

Und hier gehen die Meinungen auseinander. „Grauer Wasserstoff“ wird zumindest mittelfristig von fast allen Fraktionen als wenig klimaschonend abgelehnt. Auch die Effizienz der Erzeugung lässt hierbei zu wünschen übrig. Grüner Wasserstoff aus Überschussstrom ist dagegen als “Idealzustand” überall willkommen.
Streitig ist der Umgang mit „türkisem Wasserstoff“, bei dem im Pyrolyse-Verfahren Kohlenstoff erzeugt wird,  und blauem Wasserstoff, bei dem CO2 in der Erde eingelagert wird. Diese „CCS“ genannte Technik wird von der Bevölkerung wenig akzeptiert.
Die Opposition ist im Gegensatz zu den Regierungsparteien in Land und Bund bei beiden Lösungen skeptisch. Sie bedeuteten eine Verlängerung der Fossilen. Die Grünen sehen gar ein „Wohlfühl-Thema für gestresste Kohleausstiegspolitiker“, mit dem von der vermuteten Ablehnung der Erneuerbaren abgelenkt werden soll.

Minister Pinkwart

Prof. Dr. Andreas Pinkwart ist Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie in NRW..

Unklare Zukunft spricht für Technologieoffenheit

Für Unternehmen dürfte es jedenfalls schwer sein, ohne klare politische Perspektive in Forschung oder den Infrastruktur-Umbau zu investieren.

Bis 2050 ist es ratsam, keine Technologiepfade wie eine Vollelektrifizierung des Wärmemarktes vorzugeben. Sondern einen technologieoffenen Wettbewerb der Lösungen zuzulassen, wie Frank Sundermann, Sprecher der SPD-Fraktion, zu Bedenken gibt.

Wirtschaftsminister Prof. Andreas Pinkwart macht deutlich, dass es der Landesregierung mit Wasserstoff um die Beantwortung von gleich zwei großen Fragen geht:

  1. Die Energieversorgung und mit ihr die darauf angewiesene Industrie im Land zu halten.
  2. Und gleichzeitig Energiewende und die hoch gesteckten Klimaziele zu erreichen.

Die strategischen Weichen werden den NRW-Unternehmen dann in der H2-Roadmap im Herbst 2020 hoffentlich gestellt.

 

 


FOTOS
Titelbild: fotolia.com / #188138761
Pinkwart: ©MWIDE NRW/ F. Wiedemeier
Verzinkung: © ZINQ Voigt & Schweitzer GmbH & Co KG

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Power2Metal

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*In4Climate ist eine Plattform zur Entwicklung innovativer Strategien für eine klimaneutrale Industrie.

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