Teil 2 unserer Blog-Serie “Pott, Pütt und Wasser” zum Abschied von der Kohle: Nach der Jahrhundertwende liefen Bergbau und Industrie im Ruhrgebiet auf Hochtouren. Es herrschte Wassernot.
Unsere Blog-Serie zum Abschied von der Kohle
Pott, Pütt und Wasser – die Geschichte des Ruhrgebiets ist auch die von Gelsenwasser. Unsere vierteilige Serie ist eine kleine Hommage an das Ruhrgebiet. Teil 2 erzählt vom Wettlauf mit dem Wasserverbrauch Anfang des 20. Jahrhunderts.
Lesen Sie auch Teil 1 “Pott, Pütt und Wasser – wie alles begann“
Wassernot im Ruhrgebiet
Industrie und Bergbau wuchsen weiter. Es wurden unglaubliche Mengen Wasser benötigt, die aus den Flüssen gefördert wurden. Die Ruhr war besonders betroffen. Ihr Wasserspiegel war stark gesunken. Bereits ab 1890 kam es immer wieder zeitweise zu Wassernöten im Ruhrgebiet. Gleichzeitig wurden die Folgen von Bergbau und Industrialisierung sichtbar. Die Flüsse waren extrem verschmutzt.
Um die Wassernot zu verringern, wurde zum einen 1899 der Ruhrtalsperrenverein (wurde 1990 mit dem Ruhrverband vereint) gegründet. Zukünftig würde Wasser für regenarme Zeiten in Talsperren gespeichert werden. Außerdem musste für jeden Kubikmeter Wasser, der aus der Ruhr entnommen wurde und nicht wieder den Fluss zurückgelangte, 25 Pfennig bezahlt werden. Gelsenwasser musste im ersten Jahr dafür 33.582,75 Mark bezahlen.
Trauriger Höhepunkt: die Typhus-Epidemie in Gelsenkirchen
Aufgrund der Wasserknappheit an der Ruhr griffen einige Wasserwerke zu fragwürdigen Methoden, um genug Wasser zu gewinnen. Einige mischten ungefiltertes Flusswasser ins Trinkwasser. Das war höchst gefährlich: Chlor, Ammoniak, Salpeter, Würmer, Parasiten und andere Keime – die Liste der Schadstoffe im Ruhrwasser war lang.
So kam es 1901 zu einer Typhus-Epidemie: In einem Gebiet von 235 km2 und 400.000 Einwohner. Betroffen waren Menschen in Gelsenkirchen und Teilen von Recklinghausen, Essen und Hattingen. Nach offiziellen Angaben erkrankten 3.231 Personen – 200 starben.
Alle Fälle traten im Versorgungsgebiet des Wasserwerks Steele auf. So war schnell klar, dass das Trinkwasser von Gelsenwasser die Typhus-Keime verbreitet hatte. Durch ein Rohr hatte man einfach Flusswasser ungefiltert in Trinkwasser gemischt – so gelangten die Typhus-Keime in einen Brunnen des Wasserwerks. Drei Jahre später wurde in einem Prozess die Schuldfrage geklärt. Die Verantwortlichen kamen mit einem „blauen Auge“ davon. Sie zahlten Geldstrafen, weil es widersprüchliche Aussagen gab und der Staatsanwalt daraufhin den Hauptanklagepunkt fallen lassen musste. Schwerer wog der Imageschaden für Gelsenwasser, der auch wirtschaftliche Konsequenzen hatte.
Wasserqualität rückt in den Fokus
Durch die Typhus-Epidemie und den Prozess, der landesweit Schlagzeilen machte, setzten sich Behörden und Wasserversorger danach intensiv mit dem Ruhrwasser auseinander. So wurde mit Gelsenwasser-Unterstützung das Institut für Hygiene und Bakteriologie gegründet, das ab sofort die Wasserqualität regelmäßig überprüfte. Die Behörden passten die Regeln für Wasserwerke an.
Neue Methode hilft die Wassernot
Parallel suchte Gelsenwasser nach einer Idee, die Wassergewinnung an der Ruhr zu verbessern und den Wettlauf mit dem Wasserverbrauch zu gewinnen. Die Ingenieure griffen dazu eine neue Methode aus Schweden: die künstliche Grundwasseranreicherung.
Die Methode geht auf den schwedischen Wasserbauingenieur Johan Gustaf Richert zurück: Dabei versickert Flusswasser in Sandbecken. Der Sand fungiert als Filter. Das Flusswasser fließt dann mit dem Grundwasser zusammen und dann erst in die Brunnen. Ab 1903 nahm Gelsenwasser die ersten Anreicherungsbecken in Steele und Witten in Betrieb. Das Verfahren etablierte sich aufgrund der Wassernot schnell im Ruhrgebiet.
Auf der Suche nach Wasserressourcen in Haltern
Doch auch mit der neuen Methode und neuen Ruhrwasserwerken ließ sich der Wettlauf mit dem Wasserverbrauch nicht gewinnen. Nur mit Wasser aus der Ruhr ließ sich die Wasserversorgung des Ruhrgebiets nicht erhalten. Deshalb suchte Gelsenwasser nach neuen Wasserressourcen – und wurde „in Haltern am See” fündig. Zum einen wanderte der Bergbau nordwärts, zum anderen gab es dort große Grundwasservorkommen. 1906 wurde der Bau genehmigt. Am 1. Juli 1908 wurde das Wasserwerk in Betrieb genommen. Heute gehört es zu den größten Europas – 110 Jahre versorgt es Menschen in NRW mit einwandfreiem Trinkwasser.
Durch die berühmten Halterner Sande wird das Wasser dort gereinigt. Damit ist die künstliche Grundwasseranreicherung auch heute noch aktuell wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Ein herzliches DANKESCHÖN an den Ruhrverband, das Deutsche Bergbau-Museum Bochum und das Montanhistorische Dokumentationszentrum für die Unterstützung und die tollen Fotos.
FOTOHINWEIS
© Deutsches Bergbau-Museum
Das Titelbild zeigt Kohlengewinnung mit Keilhaue, um 1925 (aus: Kroker, Evelyn/Unverferth, Gabriele: Der Arbeitsplatz des Bergmanns in historischen Bildern und Dokumenten, Bd. 1, 5. Aufl., Bochum 2003)