Die Spezialisten der Feuerwehren Essen und Oberhausen trainieren in Hünxe für den Ernstfall. Patientin wird bei der Höhenrettung am Windrad aus 149 Metern Höhe gerettet. Atemberaubender Adrenalin-Kick und eine wertvolle Erfahrung.
Aus 149 Metern Höhe von einem Windrad abgeseilt werden. Den Meisten wird bei der Vorstellung schlecht, bei mir kribbelt es vor lauter Vorfreude. Es ist eine atemberaubende Erfahrung. Erlebt als Dummy-Patientin bei einer Höhenrettung am Windrad, mit den Feuerwehren Essen und Oberhausen auf der Halde Lohberg in Hünxe.
Organisiert wurde die Höhenrettung von meinem Kollegen Martin Nolte, bei Gelsenwasser für den Hoch- und Tiefbau beim Errichten von Windenergieanlagen zuständig. Er war für den Bau der Windenergieanlage mitverantwortlich und weiß: Im Notfall können Rettungskräfte schneller helfen, wenn sie sich auskennen.
„Die letzte Übung an einem Windrad war vor 13 Jahren. Von daher ist das eine ganz besondere Situation für uns. Wir nutzen diese Möglichkeit einfach dafür, dass hier jetzt jeder üben und ausprobieren kann.“
Daniel Johann, Einsatzleiter Feuerwehr Essen
Für die meisten der Feuerwehrleute ist die Höhenrettung am Windrad eine Premiere. So wie für mich.
Allerdings rauscht der Wind an dem Morgen heftig über das Haldenplateau. Etwas mehr und die Übung hätte abgebrochen werden müssen. Zum Glück flaut die Brise rechtzeitig ab.
Der Aufstieg im Windrad: 550 Stufen an der Steigleiter mit Ausrüstung hochklettern
Während ich mit einem Enercon-Mitarbeiter einen Teil des Wegs mit einem Mini-Aufzug (Fachleute sagen Aufstiegshilfe) zur Windrad-Gondel hochfahre, müssen die Höhenretter 149 Meter klettern: in kompletter PSA-Montur* und mit Klettergurt, an dem die persönliche Ausrüstung befestigt ist. Die zweifache Klettersicherheit („Steiger“) schützt vor dem Absturz.
550 Stufen müssen sie die Steigleiter hoch – im Turm, im Dunkeln. Mit jeweils drei Metern Abstand. Der Schnellste ist nach sechs Minuten oben, andere brauchen knapp zehn Minuten. Der Trick ist, sich in den Gurt zu hängen und mit den Beinen zu steigen, die Arme stabilisieren nur. Ansonsten streikt der Bizeps schon nach wenigen Metern.
Das merke ich schon auf den letzten 25 Metern, die ich klettern muss. Der Aufzug fährt nicht ganz nach oben. Wobei „Aufzug“ nicht wirklich passt: Metallkabine an Stahlseilen trifft es besser. Es passen zwei Personen rein, und die Fahrt ist eine laute, wacklige Angelegenheit. Klaustrophobisch darf man nicht sein!
*PSA = persönliche Sicherheitsausrüstung: Helm, Bekleidung, Schutzbrillen usw.
Oben angekommen, geht’s durch eine schmale Luke und eine kleine Leiter in das Maschinenhaus der WEA. Dann ist für alle erst mal Selfie-Time: Auf der Plattform auf dem „Enercon-Ei“ hat man auf ca. 160 Metern einen wahnsinnigen Ausblick auf die Umgebung. ?
Danach heißt es für mich: warten. Nach fast zwei Stunden stehen die Aufgaben für die Höhenrettung am Windrad, und die Ausrüstung ist mit der Winde außen am Turm hochgezogen.
„Wir machen das nicht schnell, sondern zu Ausbildungszwecken. Jeder soll sehen wie das funktioniert. Im Einsatz wären wir natürlich deutlich schneller unterwegs.“
Daniel Johann, Einsatzleiter Feuerwehr Essen
Szenario 1: Höhenrettung aus dem Spinner und abwärts im Gurt und mit „Spec bak“
Es geht los! Ich liege als verletzte Person im Spinner. Das ist der Teil, der zuerst vom Wind berührt wird. Der Spinner umhüllt die Rotornabe, an der die drei Rotorblätter befestigt sind. Er ist durch eine kleine runde Öffnung vom Maschinenhaus aus zu erreichen. Es ist dunkel, seine runde Form und jede Menge technische Details erschweren jede Bewegung.
Die Rettungskräfte müssen hochkommen, mich aus dem Spinner im Spec bak** bergen und am Seil durch die Revisionsluke am anderen Ende des Maschinenhauses nach unten bringen.
Die Spezialisten brauchen nur Minuten, um mich in den Spec bak zu packen. Bei der Bergung aus dem Spinner ist Muskelkraft gefordert: Schieben, Hochheben, Ziehen… Die kleine Öffnung macht es schwer. Vor der Revisionsluke legen sie eine kurze Pause ein, besprechen das weitere Vorgehen, treffen die Vorbereitungen für das Abseilen. Ruhig, akribisch. Es ist toll, das Teamwork zu sehen.
Höhenretter Kevin Schulz von der Feuerwehr Oberhausen wird mich am Seil nach unten bringen. Selbst als ich den festen Boden verlasse und über der Revisionsluke in 149 Metern Höhe baumele, habe ich keine Sekunde Angst. Kevin hangelt sich über hinweg, hakt sich gegenüber ein, und eine Minute später hängen wir bereits unter dem „Ei“. Langsam werden aus den ameisengroßen Autos und Menschen wieder richtige. Acht Minuten dauert die „Seilfahrt“. Genug um den Ausblick zu genießen, das Gefühl der Freiheit auszukosten und kurz mit Kevin zu quatschen. ?
Unten wartet Kevins Kollege Christian Amberge, klatscht uns ab. Und, wie war es? Euphorisch vom Adrenalin, ist meine Antwort: Mega, direkt noch mal!
** Spec bak: eine spezielle Trage, die eine sitzende Haltung erlaubt, den Kopf fixiert und den Rücken schützt.
Szenario 2 der Höhenrettung: In der Trage durch die Revisionsluke
Nach kurzer Pause geht es für Rettungsrunde Nr. 2 wieder hoch: Aufzug, Luke, Steigleiter. Dieses Mal verschnüren mich die Höhenretter aus Essen in einer Trage, die mit einem Kollegen aus der Luke gelassen wird.
Doch erst muss die Trage mit mir drin überhaupt zur Luke. Es braucht vierfache Manpower, um die Kunststofftrage im engen Maschinenhaus um die Ecke vor die Luke zu hieven. Um die Trage dann auf das Sicherheitsgeländer der Luke zu heben, müssen die Männer noch mal alle Kräfte mobilisieren. Kurze Pause, während ich in der Trage auf dem Geländer „rumstehe“. Ich höre das Team arbeiten. Ein Essener Höhenretter bereit sich vor zum Abseilen. Alle kontrollieren ein letztes Mal alle Haken, Seile, Ösen und Schlaufen. Die Kollegen an den Sicherungsgeräten halten die Seile (es wird immer redundant gearbeitet mit mehreren Seilen und Sicherheitssystemen). Seine Kollegen drehen langsam die Trage und stellen mich fast aufrecht hin. Bewegungsunfähig, 149 Meter über dem Boden. Mehr Adrenalin geht nicht. ?
Der Feuerwehrmann klettert über mich hinweg und hängt sich in den Gurt. Dann geht es langsam wieder abwärts. Unter der Gondel wird die Trage wieder waagerecht gezogen. Das heißt für mich: Abfahrt ohne Aussicht. Ich sehe nur Himmel, Rotorblätter und den Kopf meines Begleiters, der mich auf den 10 Minuten abwärts bestens unterhält. Einige Schrecksekunden erlauben sich die Essener Höhenretter: Zwei, drei Mal sacken wir plötzlich nach unten – für ein, zwei Mete wie freier Fall. Da hat das Bremsen der Kollegen oben in der Gondel nicht so sanft funktioniert. Selbst mein Retter hat da einen kleinen Adrenalin-Kick. ?
Unten angekommen, werde ich erst mal aus der Trage geschält. „Happy faces“ bei allen Feuerwehr-Leuten und Erleichterung bei meinen Kollegen. Ich habe den Adrenalin-Kick genossen und bin um eine unvergessliche Erfahrung reicher. Und mein Respekt für die Feuerwehrmänner und -frauen und ihren Job, ist noch mal um ein Vielfaches gewachsen.
Dankeschön!
- an das Enercon-Team, die uns von der Idee bis zum Tag X unterstützt haben
- an die Teams der Feuerwehren Oberhausen und Essen, Hünxe und Dinslaken für Ihren Einsatz
- an die Kollegen vom Team blau-grün fürs Helfen, Unterstützen, Mitfiebern…
Großes Medienecho: WDR und Co. berichten über die Höhenrettung
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