Nachdem die Wasserversorger wie auch die Bürgerinnen und Bürger dieses Mal fast ein halbes Jahr auf die Regierungsbildung gewartet hatten, war auch die Spannung, welche Aussagen der zweite Koalitionsvertrag binnen wenigen Monaten zum Gewässerschutz und der Abwasserentsorgung treffen würde, relativ hoch. Insgesamt fiel die Bewertung dann eher ernüchternd aus.

Dabei weist der Koalitionsvertrag durchaus positive Aspekte auf, konzentriert man sich auf die abstrakten Ziele. Die Koalitionäre bekennen sich zum Schutz des Wassers. Die Nachhaltigkeit wird betont; die ökologische Landwirtschaft soll ausgebaut werden. Auch die Benennung der größeren „Langzeitbaustellen“ im Gewässerschutz, des wachsenden Eintrags von Spurenstoffen wie Arzneimitteln, Pestiziden, Mikroplastik oder aber auch der zunehmenden Belastung durch die industrielle Landwirtschaft.

Wird sich die Landwirtschaft wandeln?

Gegen die Belastungen mit Pflanzenschutzmitteln oder Nitrat wäre vor allem eine neue Ackerbaustrategie“ richtig. Die Zulassungsbehörden für Pestizide sollen mehr Mittel erhalten, damit die Verfahren schneller zum Abschluss gebracht werden können. Ebenso soll die konkrete Anwendung von Wirkstoffen und PSM national und europäisch deutlich transparenter werden. Mehr Forschung soll stattfinden, was notwendig erscheint, damit innovativerer Einsatz in Ökolandwirtschaft möglich wird. Nach wie vor wird von den Herstellern des hoch umstrittenen Glyphosats vorgebracht, es existierten keine annähernd effektiven Mittel mit wasserschonender Wirkung.

Brexit und Ökolandwirtschaft sollen die Wende bringen

Ökologische Landwirtschaft würde langfristig helfen, viele Probleme in den Griff zu bekommen. Ein großer Schritt wäre die geplante Erhöhung des Anteils der Ökolandwirtschaft auf 20 % bis 2030. Denn Deutschland liegt europaweit mit etwa 7 % abgeschlagen im unteren Mittelfeld. Der geplante Ausbau der Forschung scheint also gut angelegt. Natürlich muss der Hebel hier in Brüssel angelegt werden, sollte die EU-Agrarpolitik (GAP) umgebaut und Fördergelder an umweltschonendes Handeln geknüpft werden. Einen Anlass bietet der Brexit, der Einschnitte von etwa 6 Mrd. Euro im jährlichen Haushalt der EU mit sich bringen wird. Die ersten Verhandlungen zur Neuverteilung stimmen noch nicht optimistisch, dass die Agrarförderung effektiver werden könnte. Das Problem des „Gülletourismus“ in NRW wird weder in Berlin noch in Brüssel ernsthaft angegangen. Derweil breitet sich die industrielle Landwirtschaft auf der Suche nach neuen Flächen immer weiter in Richtung Osten aus. Viele Betriebe gehen von 1.000 Schweinen eher in Richtung 5.000 Tiere. Das für 2018 erwartete Urteil des EuGH zur Verletzung der Nitrat-Richtlinie wird die Debatte hoffentlich wieder in den Fokus der Öffentlichkeit bringen. Als weiteres Mittel wird „Dialog mit der Landwirtschaft“ genannt. Dies ist sicherlich richtig aber nicht neu, denn viele Wasserversorger wie Gelsenwasser befinden sich bereits seit langen Jahren in engen Kooperationen mit Landwirten vor Ort, um das Schlimmste zu verhindern.

Arzneimittel – Lösung bislang zulasten der Abwassergebühren angedacht

Im Koalitionsvertrag taucht die Formulierung auf, mit dem Ziel, die Verunreinigungen der Gewässer zu reduzieren, sei die „Abwasserabgabenregelung“ weiterzuentwickeln. Dies deutet darauf hin, dass eine verstärkte Behandlung von Abwasser durch neue, flächendeckende Technik im Wege der „4. Reinigungsstufe“ gewollt ist. Dieser Ansatz führt laut ersten Schätzungen des BDEW zu Mehrbelastungen von 37 Mrd. Euro und damit um bis zu 25 % erhöhten Abwasserkosten für die Bürger. Es existiert zudem keine Technik, die alle Stoffe zugleich zuverlässig beseitigen könnte. Da durch die neuen Produkte der Pharmaindustrie und erhöhten Medikamentengebrauch immer neue Stoffe in das Abwasser gelangen, ist hierin denklogisch bereits die fünfte und sechste Reinigungsstufe angelegt. Vor allem aber widerspricht diese Idee dem zentralen „Verursacherprinzip“ aus dem Umweltrecht. Nach diesem trägt derjenige, der eine Gefährdung verursacht, auch Sorge für deren Nichteintritt oder zumindest ihre Beseitigung.

„End-of-Pipe“ wird das Problem nicht lösen. Vorsorge müsste sein.

Daher wird dieser Ansatz im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung in NRW eindeutig abgelehnt. Auch im aufwendigen „Spurenstoffdialog des BMUB“ wird dieser Ansatz kritisch gesehen und existiert nur als eine Alternative in einem Katalog von Maßnahmen. Mittlerweile hat das BMUB im Spurenstoffdialog versichert, Lösung und die Finanzierung würden völlig ergebnisoffen geprüft. Wichtig sind andere Maßnahmen wie die geplanten Informationskampagnen zur richtigen Entsorgung von Arzneimitteln, die zwar in der Branche bereits existieren, aber zweifelsohne noch verstärkt werden müssen. Aber auch Verpackungsgrößen müssen diskutiert werden. Der BDEW geht davon aus, dass noch immer etwa 50 % der verschriebenen Arzneimittel entsorgt werden. Hier und bei Themen wie „Green Pharmacying“ ist die Diskussion noch am Anfang. Die Antibiotika-Resistenzstrategie (DART 2020) soll zu deren vermindertem Einsatz bei der Tierhaltung führen und zielt damit auf das Thema der multiresistenten Keime in deutschen Gewässern. Die Zuständigkeit für Überwachung und Zulassung für Tierarzneimittel wird zusammengeführt.

Gewässerschutz und Verursacherprinzip im Koaltionsvertrag

Verkehrte Welt. Was ist mit dem Verursacherprinzip?

Fazit: Ziele ohne Verursacherprinzip und Maßnahmen reichen nicht.

Die Ziele und Probleme sind im Koalitionsvertrag richtig benannt. Einige Lösungen werden abstrakt angerissen. Man bekennt sich zwar zum „europäischen Vorsorgeprinzip“, aber eine echte Umsetzung des Verursacherprinzips auf nationalen Umweltschutz und Agrarpolitik fehlt. Messbare Erfolge und Fristen sind eher Mangelware. Bei der Suche nach konkreten Gesetzesvorhaben und verbindlichen Maßnahmen bis hin zu Sanktionsmöglichkeiten wird man kaum fündig. Es besteht die begründete Sorge, dass wie in der letzten Legislaturperiode viele Themen in unverbindliche Dialogrunden der Ministerien verlagert werden. Der KoV enthält etwa 60 solcher Kommissionen. Nun werden politische Ziele auf langjähriges Regierungshandeln treffen. Wie das ausgeht, ist ungewiss, denn gerade die Vertreter der Landwirtschaft verstehen Begriffe ganz anders als die Gewässerschützer. Die Politik hat Kompromisse gemacht. Bei deren Deutung wird um jedes Wort gerungen werden. Ganz sicher wäre es falsch, die Kosten, die durch Spurenstoffe entstehen, auf die Verbraucher abzuwälzen, obwohl sie die Verunreinigungen der Gewässer nicht verursachen.

Gelsenwasser ist auf der weltweit wichtigsten Messe für Wasser und Abwasser, der IFAT 2018, in München. Welche Themen wir außerdem dort vorstellen, können Sie hier nachlesen.

Lesen Sie außerdem mehr zum Thema in unserem Politikmagazin transparent.

 

 

 

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