Bei einem Stromausfall im Wasserwerk Haltern stellt die eigene Stromversorgung die Trinkwassergewinnung und -förderung  sicher. Einmal pro Jahr wird der Blackout simuliert.

Großflächige Stromausfälle von über drei Minuten sind selten in Deutschland. 2018 fiel insgesamt 13,91 Minuten der Strom aus, in NRW waren es sogar nur 10,03 Minuten. Deutschland nimmt im EU-Vergleich einen Spitzenplatz bei der Versorgungssicherheit ein.
Stürme, Hochwasser und Schnee sowie der Klimawandel mit Extremwetterlagen auf der einen Seite – Energiewende, technische und menschliche Fehler auf der anderen. Dazu kommen als mögliche Ursachen Cyberangriffe, Terrorattacken, Sabotage… Die Blackout-Gefahr ist da – die Gründe sind vielfältig.

→ Stromnetze gehören zu den „kritischen Infrastrukturen“. Alle wichtigen Lebensbereiche sind vom Strom abhängig. Auch die Wasserversorgung.

Insgesamt braucht das Wasserwerk durchschnittlich 45 GWh pro Jahr. Allein die 16 Kreiselpumpen, die das Wasser im Wasserwerk Haltern ins Leitungsnetz fördern, brauchen jährlich etwa 34 GWh Strom. Sie benötigen etwa 70 % der gesamten verbrauchten Energie. Eine einzelne Netzpumpe hat eine Leistungsaufnahme von etwa 1 MW.

Auch bei einem Stromausfall wird im Wasserwerk weiter Trinkwasser gefördert

Unser Wasserwerk in Haltern ist auf einen Blackout vorbereitet. Es verfügt über eine Eigenstromversorgung, die bei einem Stromausfall angeschaltet wird. Drei Diesel-Generatoren erzeugen in einem solchen Fall Strom, damit Pumpen und Aufbereitung weiterlaufen können. So stellen wir die Versorgung im Katastrophenfall sicher. Mit den Generatoren inklusive zwei Tanks mit Dieseltreibstoff kann Team blau-grün den Wasserwerksbetrieb mehrere Tage aufrechterhalten.
Damit die Eigenstromversorgung immer einwandfrei funktioniert und jederzeit einsatzbereit ist, simulieren wir einmal pro Jahr einen „Blackout“. Für die Übung gibt es einen detaillierten Ablaufplan.

“Mit der regelmäßigen Übung stellen wir sicher, dass alle Mitarbeiter die Abläufe kennen. Wir wissen, ob unsere Technik einwandfrei funktioniert und mit welchen Herausforderungen wir rechnen müssen.“
Elektromeister Sascha Boeren

Ich habe die Übung begleitet und die wichtigsten 5 Schritte für Euch festgehalten.

Schritt 1: Wassergewinnung und Förderung werden eingestellt

Die Kollegen im Leitstand kontrollieren permanent die wichtigsten Daten:

  • die Wasserstände der beiden Tiefbehälter im Wasserwerk und der Wasserspeicher in Gelsenkirchen-Scholven und Herten,
  • den Netzdruck,
  • die Fördermenge, im Normalbetrieb etwa 8.000 m3/Stunde.

Zum Start der Übung fahren sie kontrolliert die Fördermenge herunter. Nach einigen Minuten sind Wassergewinnung und -förderung bei null. Das geht mit wenigen Klicks im Leitstand.

24/7 für die Versorgungssicherheit
Der Leitstand im Wasserwerk Haltern ist rund um die Uhr besetzt. Team blau-grün stellt so in drei Schichten die Trinkwasserversorgung für 1 Mio. Menschen sicher.

Schritt 2: Verbindung zum Stromnetz kappen

Stromausfall im Wasserwerk Haltern: Bei der Übung für den Ernstfall kappt der Betriebsleiter die Stromleitungen.

“Inselversorgung” im Wasserwerk: Ist die Stromverbindung gekappt, schaltet Michael Schorr die Eigenstromversorgung an. Nach den beiden Dieselgeneratoren schaltet er die ersten Pumpen für die Trinkwasserförderung wieder an. Jeder Handgriff wird vom Ablaufplan geregelt, der der Betriebsingenieur stets griffbereit hat.

Darum kümmert sich Michael Schorr, Betriebsingenieur im Wasserwerk Haltern. Er kündigt diesen Schritt bei der Leitstelle des Netzbetreiber an und holt via Telefon einen Schaltauftrag ein.
Vier Kabel führen von außen ins Wasserwerk, alle werden nacheinander von Michael Schorr auf Knopfdruck „gekappt“. Einige Sekunden laufen die Maschinen noch. Dann ist es schlagartig still und dunkel in der Pumpenhalle. Das Wasserwerk ist spannungsfrei.
Innerhalb von Sekunden sichert ein kleines Notstrom-Aggregat automatisch den Niederspannungs-Notbetrieb – Beleuchtung und Rechner im Leitstand laufen daher weiter.
Michael Schorr meldet dem Netzbetreiber, dass alle Schalter in Trennstellung sind. In weniger als vier Minuten ist das Wasserwerk vom Stromnetz gekappt.

Schritt 3: Dieselgeneratoren werden gestartet

Jetzt muss die eigene Stromversorgung gestartet werden. Mit einem Klick wird vom Leitstand aus der erste Dieselgenerator angeschmissen. Sein Betrieb ist nichts für empfindliche Ohren: Der Motor ist im ganzen Wasserwerk hör- und spürbar. Wer die Generatoren-Halle betritt, braucht speziellen Gehörschutz.
Mit dem Strom, den der erste Generator produziert, lässt Michael Schorr zunächst eine kleine Pumpe in Betrieb nehmen. Nach einigen Minuten Betrieb wird eine zweite, große Pumpe angefahren. Mit dieser kleinen „Inselversorgung“ lässt sich aber kein normaler Betrieb fahren.
Deshalb wird jetzt der zweite Dieselgenerator gestartet* und das komplette Wasserwerk auf Eigenversorgung umgestellt. Schrittweise schalten Michael Schorr und seine Kollegen mehr Pumpen dazu.

*Der dritte Dieselgenerator wurde bei dieser Übung nicht gestartet.

Technische Daten der Dieselgeneratoren

Dieselgeneratoren 1 & 2
Anzahl Zylinder: 12
Hubraum: 214 l
Motorleistung: 2.942 kW
Drehzahl: 1.000 min-1
Elektrische Nennleistung: 3.500 kVA
Spannung: 5 kV

Dieselgenerator 3
Anzahl Zylinder: 16
Hubraum: 203 l
Motorleistung: 3.200 kW
Drehzahl: 1.000 min-1
Elektrische Nennleistung: 3.500 kVA
Spannung: 5 kV

Schritt 4: Wassergewinnung wieder aufnehmen

Läuft die Wasserförderung im Eigenstrombetrieb, kann auch die Wassergewinnung wieder aufgenommen werden. Nach und nach werden die Pumpen in den Brunnenreihen wieder hochgefahren.

Schritt 5: zurück ans Stromnetz

Zirka 10 Minuten nach dem Kappen der Stromnetz-Verbindung läuft das Wasserwerk Haltern komplett mit Eigenstrom. Dieselgeneratoren und Kreiselpumpen wummern, es ist lauter als im Normalbetrieb. Aber die Fördermenge steigt wieder auf Normalwerte an. Fast alles ist im grünen Bereich, verraten die Kontrollmonitore im Leitstand.
Nur an einigen Stellen blinkt es rot. Kleinere Störungen sind bei einem so komplexen System normal. Einige Geräte müssen manuell angeschaltet werden; hier und da fliegt eine Sicherung raus, eine Kappe geht in einem Brunnen durch die Druckveränderung fliegen… Die Kollegen schwärmen aus, beheben die Störungen. Alles wird dokumentiert.

Stromausfall im Wasserwerk Haltern wird simuliert

Betriebsleiter Michael Schorr kontrolliert am Ende der Übung, wo Störungen aufgetaucht sind.

Eine halbe Stunde läuft der gesamte Betrieb im Wasserwerk Haltern mit dem Strom der Dieselgeneratoren. Dann folgt der ganze Prozess umgekehrt.
Wasserförderung und -gewinnung werden erneut heruntergefahren. Michael Schorr holt den Schaltauftrag beim Netzbetreiber ein. Er drückt die gleichen Knöpfe auf dem Schaltplan – kurz darauf ist das Wasserwerk wieder an das öffentliche Stromnetz angeschlossen. Nach knapper Meldung an den Netzbetreiber, fahren die Kollegen die Gewinnung und Förderung wieder hoch. Die Dieselgeneratoren werden ausgeschaltet, die Niederspannungs-Hauptverteilungen manuell auf Netzbetrieb umgestellt.
Als die Pumpen wieder gleichmäßig wummern, atmet das Team auf. Zwar müssen die Kollegen noch mal ausrücken um einige kleine Störungen zu beseitigen, aber der „Probelauf Eigenstromversorgung“ hat bestens funktioniert.
Unser Team in Haltern ist vorbereitet und sichert Eure Trinkwasserversorgung – auch bei einem Blackout.

Der letzte große Blackout in NRW
Im November 2005 mussten rund 250.000 Menschen in 25 Gemeinden im Münsterland bis zu fünf Tage ohne Strom ausharren. Der Blackout beweist, dass auch ein Land mit sehr guter Infrastruktur von solchen „Ernstfällen“ betroffen sein kann. Grund war heftiger Schneefall, durch den rund 80 Masten abknickten.


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© GELSENWASSER AG

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