Konvoi ins Kriegsgebiet: Zwei Gelsenwasser-Kollegen begleiteten als Fahrer den 20. Hilfskonvoi von Water4Ukraine nach Lviv.
Der 20. Konvoi von Water4Ukraine startete bei Gelsenwasser in Gelsenkirchen. Unsere Kollegen Carsten Gerhold und Sawas Chatzipanagiotis – beide Fuhrparkmanager an unserer Hauptverwaltung – fuhren mit in die Ukraine. In Lviv erlebten sie ein Wechselbad der Gefühle: zwischen Betroffenheit, Helfereuphorie und Luftalarm.

Carsten & Sawas aus dem Team blau-grün von Gelsenwasser prüfen die Papiere vor der Abfahrt des Konvoi 20.
Konvoi-Start auf unserem Betriebshof
Donnerstag, 12. Juni 2025, abends 18:30 Uhr auf unserem Betriebshof in Gelsenkirchen: Die Betriebsfahrzeuge sind geparkt. Feierabend-Stimmung. Zwei Kollegen warten an einem Pritschenwagen. Ruhig, geduldig. Obwohl sie in Kürze in ein Kriegsland aufbrechen werden. Carsten Gerhold und Sawas Chatzipanagiotis werden einen Hilfskonvoi in die Ukraine als Fahrer begleiten.
Der Konvoi sammelt sich auf unserem Betriebshofs. 20 Minuten Betriebsamkeit statt Feierabend-Idylle. Wichtige Papiere werden verteilt, Funkgeräte übergeben, Water4Ukraine-Aufkleber auf den Fahrzeugen angebracht. Absprachen zu Route und Tankpausen.
Minuten vor dem Konvoi-Start sitzen alle in den Fahrzeugen. Letzte Handgriffe. Funktioniert das Funkgerät? Neben WhatsApp das wichtigste Kommunikationsmittel im Konvoi*.
Jetzt ist die Anspannung bei Carsten, Sawas und den anderen spürbar. Der Konvoi rollt vom Betriebshof. Wir winken, sie hupen. Ein Abschied mit mulmigem Bauchgefühl!
Auf den Konvoi warten 1.450 Kilometer von Gelsenkirchen nach Lviv und wieder zurück, in nur vier Tagen. Inklusive einer Übernachtung in Lviv. Die, wie sie nachher berichten werden, vom Luftalarm geprägt war.
*Bei Angriffen wird in der Ukraine das GPS deaktiviert.

Gelsenwasser-Pritschenwagen beladen mit einem großen Stromaggregat auf dem Betriebhof in Gelsenkirchen: Der Konvoi 20 für Water4Ukraine ist startklar.
Sachspenden im Wert von ca. 5 Mio. Euro
Der Konvoi bringt Fahrzeuge und technisches Equipment in die Ukraine. Es ist bereits der 20. Konvoi, den Water4Ukraine auf die Beine stellt. Gelsenwasser unterstützt die Initiative seit dem ersten Konvoi im Frühjahr 2022.
Dieses Mal haben wir drei Pritschenwagen und einen Pkw beigesteuert. Andere NRW-Versorger haben Saugpumpen, Stromaggregate und weiteres technisches Equipment dazugetan. Sogar ein Transporter mit insgesamt 1000 Meter Rohrleitungen gehört zum Konvoi.
Insgesamt haben NRW-Versorgungsunternehmen seit 2022 Sachspenden im Wert von über 5 Mio. Euro für ukrainische Versorger geleistet. Fahrzeuge und Technik sind hier ausgemustert worden – teilweise sogar aufwendig repariert worden.
„Die Situation ist weiterhin kritisch und die Menschen sind stark auf die Hilfe von außen angewiesen. Die Fahrzeuge, die nahezu alle Wasserwerke im Land benutzen sind sowjetischer Bauart – und durch den Krieg finden sich am Markt praktisch keine Ersatzteile mehr. Am dringendsten benötigen die Wasserwerke daher baustellengeeignete Fahrzeuge.“
Volodymyr Bilynskyy, stellvertretender Technischer Leiter der Wasserwerke Lviv/Lemberg
Die Fahrt nach Lviv
Der Konvoi fährt die ganze Nacht und den Freitag durch. Die Fahrer wechseln sich ab.
Einige Tank-/Toilettenpausen und ca. 20 Stunden nach dem Start in Gelsenkirchen kommen sie Freitagnachmittag im polnischen Radymno an, zehn Kilometer vor der Grenze zur Ukraine. Das Konvoi-Team übernachtet dort. Die erste Gelegenheit überhaupt, sich persönlich besser kennenzulernen. Einige sind zum ersten Mal dabei, andere sind bereits mehrfach mitgefahren.
Samstag früh geht es nach Budomierz zur polnisch-ukrainischen Grenze. Warten. Die Autoschlange ist lang. Bis zu 10 Stunden kann der „Grenzgang“ dauern, erzählen die erfahrenen Konvoi-Fahrer. Fahrzeuge, Personen, Taschen und Papiere werden penibel kontrolliert. Als klar ist, dass es sich um einen Hilfstransport handelt, werden sie vorgelassen.
Kurzer Schreckmoment: Bei einem Fahrzeug wurde bei der Fahrgestellnummer eine 0 und O vertauscht. 30 Minuten später Erleichterung: Problem gelöst. Übersetzer helfen. Nach 2,5 Stunden stehen alle Konvoi-Fahrzeuge auf der ukrainischen Seite.
Noch 100 Kilometer bis Lviv**. Eine Fahrt ohne Zwischenfälle. Aber mit einem mulmigen Gefühl.

Geschafft: Konvoi 20 für Water4Ukraine ist in der Ukraine angekommen.
Fahrzeug-Übergabe: unsere Hilfe ist notwendig
Mit dem Grenzübergang hält der Krieg Einzug im Alltag: Züge mit Panzern, Militärkolonnen, Menschen in Uniformen…
Es geht ins Hotel. Auf dem Hotelparkplatz werden sie von Volodymyr Bilynskyy (stellvertretender Technischer Leiter Wasserwerke Lviv) empfangen, samt Fahrern anderer Wasserversorger. Die gespendeten Fahrzeuge werden sofort übergeben: Nach einer kurzen Einweisung rollen sie vom Parkplatz – sämtliches Gerät wird wirklich dringend gebraucht. Alle Fahrzeuge kommen direkt an der Frontline oder in stark krisengefährdeten Gebieten zum Einsatz. Eines unserer Fahrzeuge fährt nach Nikopol weiter, in der Nähe von Sapporischschja und der Front. und Sapporischschja. „Alle haben betont, wie wichtig und notwendig diese Unterstützung – speziell auch die von Gelsenwasser – ist“, erzählen meine beiden Kollegen. Sie tauschen sich kurz, aber intensiv aus, übergeben die blau-grünen Fahrzeuge.
Lviv: Der Euphorie folgt der Luftalarm
Danach ein kleiner Stand rundgang – ein gemeinsames Abendessen. Dann in der Nacht plötzlich Sirenen: Luftalarm. Der geht los, sobald russische Kampfflieger starten und die Flugabwehr aktiviert wird, überall. Der Luftalarm galt einem Ort 50 Kilometer von Lviv entfernt. Sawas und Carstens Nacht ist kurz und unruhig. In jedem Hotelzimmer gibt es Lautsprecher für landesweite Warnungen & und Durchsagen.
„Im Restaurant waren viele Frauen und Kinder, aber keine Männer zwischen 30 und 50 Jahren. Der Bruch in der Gesellschaft durch diesen Krieg ist im Alltag auf den ersten Blick wahrnehmbar.“
Carsten Gerhold, Fuhrparkmanager GELSENWASSER AG
Der erste Halt am nächsten Tag (Sonntag) in Lviv ist einer, der Carsten und Sawas prägen wird: an einem Soldatenfriedhof. Mehrere Fußballfelder groß. In Lviv werden im Schnitt jeden Tag vier Soldaten beerdigt. Ein Meer aus blau-gelbe Fahnen und Grabsteinen. Bedrückend. Später erzählt mir Carsten: „Da konnte ich meine Tränen nur schwer zurückhalten.“
„Der Krieg hat in der Stadt ein Bild“, sagt Carsten zu diesen 15 Minuten auf dem Friedhof. Die anschließende Fahrt zu den Wasserwerken Lviv verläuft völlig still!

Angekommen in Lviv: Der Kovoi 20 für Water4Ukraine mit den ukrainischen Fahrern.
Mehr als 717.000 Menschen versorgen die Wasserwerke Lviv. Volodymyr Bilynskyy führt die Gruppe herum. Was Carsten und Sawas sofort auffällt: Die Betriebsfahrzeuge sind zu einem großen Teil Sowjetfahrzeuge aus den 1960er Jahren. Weil die Wasserwerke Lviv ihre Fahrzeuge bereits an andere ukrainische Wasserversorger weitergegeben haben.
Von dort geht es zurück: 1.450 Kilometer mit 13 Personen in zwei Fahrzeugen, die in 4 Tagen ein Team geworden sind. Vollgepackt mit Eindrücken, auch von der Infrastruktur. Alle sind erschöpft. Alle finden es seltsam schwierig, wieder Profanes zu sehen, zu machen.
„Jeder, den wir getroffen, mit dem wir gesprochen haben, hat Menschen verloren.“
** Über Lviv
auch Schreibweise Lwiw oder auf Deutsch Lemberg; eines der wichtigsten Zentren des ukrainischen kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Lebens; mehr als 717.000 Einwohnende; bekannt für seine wunderschöne, vielfältige Architektur
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