Wassernerds
Bemannter Rohrvortrieb unter der A43
Mareike Roszinsky / 19. Dezember 2025
Unter der A43 wird eine neue Trinkwasserleitung verlegt – mit einem seltenen Verfahren: dem bemannten Rohrvortrieb. Warum das so besonders ist, erklären wir euch hier.
Seit über 30 Jahren arbeitet unser Kollege Erich Klinge als Projektingenier für die Trinkwasserversorgung in Recklinghausen. Dementsprechend viele Baumaßnahmen für eine sichere Versorgung hat er schon gesehen. Eines aber noch nie: einen bemannten Rohrvortrieb!
Bis Dezember 2025. Bei einer unserer Baumaßnahmen in Marl konnte Erich Klinge endlich dieses seltene Verfahren sehen. Dort wird eine neue Trinkwasserleitung mit einem Durchmesser von DN 1000* verlegt – unter der Autobahn A 43. Und zwar im Bohrpressverfahren mit bemanntem Rohrvortrieb.
*das bedeutet, der Rohrdurchmesser beträgt 100 cm / 1 m
„Ich arbeite seit 36 Jahre bei Gelsenwasser als Projektingenieur und habe schon viele große Baumaßnahmen gesehen. Aber das ist das erste Mal, dass ich einen bemannten Vortrieb miterlebe. Das ist wirklich spektakulär.“
Erich Klinge / Projektingenier GELSENWASSER AG
100 Meter unter der Autobahn A43 hindurch
Das Bohrpressverfahren mit bemanntem Rohrvortrieb kommt nur selten zum Einsatz. „Doch bei dieser Baumaßnahme in Marl war das die sicherste und flexibelste Option“, erklärt unser Fachmann Torsten Gleißner.
Denn im Boden unter der A43 können große Steine nicht ausgeschlossen werden. Die wären beim herkömmlichen Verfahren zu unüberwindbaren Hindernissen geworden. Und die neue Leitung muss rund 100 Meter unter der A43 hindurch verlegt werden. Kein Drankommen von oben also!
Blick in die Vortriebsmaschine beim bemannten Rohrvortrieb. Dort sitzt der Polier und steuert.
So funktioniert das Bohrpressverfahren mit bemanntem Rohrvortrieb
Zuerst wurde eine 24 Meter lange Vortriebsmaschine mit offenem Haubenschild und Teilschnittmaschine in eine rund zehn Meter tiefe Baugrube abgelassen. Anders als beim üblichen Bohrpressverfahren sitzt ein Mitarbeiter der Fachfirma direkt hinter der Spitze der 1,60 Meter breiten Vortriebsmaschine und steuert den Bohrkopf.
Über hydraulische Stempel werden 16 Tonnen schwere Betonschutzrohre (jedes einzelne Stück ist 4 Meter lang) in den Tunnel gedrückt. Sie haben einen Außendurchmesser von 1,60 Meter. Sind sie miteinander verbunden, wird darin später die neue Trinkwasserleitung (DN 1000) verlegt.
Ein Verfahren, bei dem in allen Arbeitsschritten Präzision gefordert ist!
Die 3 Top-Gründe für den bemannten Vortrieb
- das Unterqueren der Autobahn
- der hohe Grundwasserspiegel (fünf Meter)
- mögliche Hindernisse im Untergrund
Der Polier am Steuer ist ein Spezialist. Er sieht, durch welches Material – zum Beispiel Sand und Gestein – gerade gebohrt wird. Und reagiert sofort, falls Hindernisse im Boden auftauchen. So ist das Risiko geringer und unsere Kolleg*innen können flexibel handeln, wenn sie Hindernisse im Boden entdecken!
Über 30 Jahre dabei: unser Kollege Erich Klinge. Er hat zum ersten Mal einen bemannten Rohrvortrieb erlebt.
Das Schwierige: der hohe Grundwasserspiegel
Die Bohrung in Marl ist wegen des hohen Grundwasserspiegels und ihrer Dimension kompliziert. 100 Meter müssen unter der Autobahn gebohrt werden. Neben der Länge ist der hohe Grundwasserstand ein Problem.
„Wir haben künstlich einen Überdruck aufgebaut, der das Wasser nach außen wegdrückt“, sagt Torsten Gleißner. Ohne würde der Tunnel unter Wasser stehen. Im Tunnel gibt es eine Schleuse mit besonderen Vorkehrungen für die Arbeitssicherheit der Mitarbeitenden. Sie müssen vorher zudem auf Drucklufttauglichkeit untersucht werden.
Dennoch arbeiten sie während des Bohrens über mehrere Tage rund um die Uhr – in mehreren Schichten! Zum Weihnachtsfest können sie ihre Ausrüstung an die Garderobe hängen – dann ist das Auffahren des Bohrkanals unter der A 43 abgeschlossen.
Danach geht es so weiter:
- Rohreinzug der Trinkwasserleitung
- die Verlegung der Leitung in der Straße Im Mersch
Mitte des Jahres (2026) soll dann planmäßig Trinkwasser aus dem Wasserwerk Haltern durch die Leitung fließen.
„Die neue Transportleitung wird eine bestehende in der Marler Straße ersetzen. Diese wurde durch Bergsenkungen beschädigt. Deshalb wurde 2015 ein Provisorium in DN 600 eingezogen. Das Provisorium wird nun behoben.“
Torsten Gleißer / Leiter der Betriebsdirektion Recklinghausen
Deshalb muss die Leitung erneuert werden
Die neue, größere Leitung wird an das Transportnetz angeschlossen, das sich von Haltern am See über Marl und Gelsenkirchen-Scholven bis nach Duisburg erstreckt.
So stellen wir zukünftig die Trinkwasserversorgung in der Region sicher – auch mit Blick auf die Klimaanpassung. Die neue Leitung trägt zur Resilienz bei – damit zum Beispiel auch in Trockenzeiten genug Trinkwasser in eure Häuser fließt. Rund 3 Mio. Euro kostet die Maßnahme in Marl.
Das ist eine von vielen Investitionen, die wir jedes Jahr für eine zukunftssichere Wasserversorgung tätigen. Insgesamt fließen jährlich rund 30. Mio. Euro in unsere Netze und Anlagen.
Bmennater ROhrvortrieb: Blick in die Baugrube während des Bohrpressverfahrens, bei dem ein Betonschutzrohr eingepresst wird.