Nach Wochen intensiven Wahlkampfs haben die Bundesbürger abgestimmt. Die neue Regierung steht nun vor der Aufgabe, die Wettbewerbsfähigkeit der Energieversorgung zu stärken und dabei den Kurs zu halten auf das weitere zentrale Ziel: die Reduktion des CO₂-Ausstoßes.

Sie treibt den Wandel in unserer Branche voran – und mit ihr den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft.

Wasserversorgung im Blick halten

Die Anliegen der Wasserwirtschaft fanden in diesem Bundestagswahlkampf wie der gesamte Umweltschutz eher wenig Beachtung. Die Union schrieb zwar in ihrem Wahlprogramm, dass sie Trinkwasservorkommen besonders schützen und zur Reinhaltung von Gewässern auf das Verursacherprinzip setzen wolle. Die SPD versprach wiederum eine Städtebauförderung zur Anpassung an den Klimawandel. Städte sollen dadurch besser Schwammstädte schaffen und Wasserflächen ausweiten können. Angesicht der Aufgaben, die vor uns liegen, sind solche Aussagen allerdings zu dünn. Denn Wasserversorger stehen mindestens mal vor einem Dilemma. Sie müssen die Infrastruktur erneuern und sie für den Klimawandel ertüchtigen und brauchen dafür die Politik. Andererseits funktioniert die Versorgung so gut, dass sie fast traditionell weniger Beachtung erhält als andere, mehr durch Krisen geschüttelte Bereiche. Dabei sollte die Politik den Anliegen der Wasserwirtschaft mehr Raum geben. Denn Dürreperioden wie zwischen 2018 und 2020 in einigen Landesteilen werden absehbar wieder eintreten. Dann müssen wir aber vorher im Gesamten resilienter sein. Denn, wenn bei Infrastrukturen Investitionen versäumt werden, dann kann man kurzfristig nur sehr schwer gegensteuern, die Brücken in NRW sind uns ein mahnendes Beispiel. Deshalb sollten wir nicht erst dann handeln, wenn der Handlungsdruck akut ist.

Das „Pulverfass“ Wärmewende

Um die Wärmewende zu schaffen, müsste sie den Rahmen für die Umsetzung der Wärmepläne der Kommunen realistisch und praktikabel gestalten. Und das in der heutigen „VUCA-Welt“ (engl. Akr.: volatility, uncertainty, complexity, ambiguity), die nicht nur uns allen privat und in unserer Arbeitswelt viel Flexibilität und Reaktionsfähigkeit abverlangt, sondern auch der Politik.

Egal welche Konstellation sich zur gemeinsamen Regierungsbildung finden wird, die Ausgangslage ist deutlich. Eine Entlastung der Bürger haben alle Parteien in ihren Wahlprogrammen versprochen. Doch während Rot-Grün die Bürger stärker an die Hand nehmen und führen wollte, setzte Schwarz und natürlich auch Gelb eher auf die Freiheit des Einzelnen, dem der Staat nur einen sicheren Rahmen setzt. Der Strompreis kann indes nicht auf eine bestimmte Höhe festgesetzt werden, da er von der Art und Struktur des Verbrauchers abhängig ist.

Laut der Civey-Umfrage fanden viele Bürger*innen die Forderung der nun aus der Regierung und dem Bundestag gefallenen FDP, das “Heizungsgesetz” zu reformieren, richtig. Daran hat der Absturz der FDP wohl nicht gelegen.

Grafik zur Umfrage über die Reform des Gebäude-Energie-Gesetzes (Heizungsgesetz)

Wärmewende besser strukturieren

Eine Analyse des BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) zeigt, dass 98% der Kommunen mit mehr als 45.000 Einwohnern mit der kommunalen Wärmeplanung mindestens begonnen haben.
Förderrichtlinien, Gesetze und Verordnungen müssen so weiterentwickelt werden, dass die Wärmepläne sich umsetzen lassen, denn die Kommunen haben zum Teil erhebliche Probleme mit Fachkräftemangel und Finanzierung. Dabei muss das Ziel von mehr erforderlicher Erneuerbarer Energie natürlich feststehen. Es wird nötig sein das Gebäudeenergiegesetz (GEG) so zu ändern, dass es Fernwärme, Wasserstoff und Bio-Methan zulässt. Das hieße § 71k GEG so anzupassen, dass Gasheizungen zunächst weiterbetrieben werden dürfen, bis die 65% – Quote langfristig erfüllbar ist. Auch die Bundesnetzagentur müsste dafür die Festlegung FAUNA ändern, die die Ausweisung von Wasserstoffnetzgebieten bewusst unterläuft.

Mit Blick auf die bestehende Infrastruktur steht fest: Ohne Anpassungen in der Regulatorik, die den Bestand der Netze erhält und dort, wo sinnvoll, die Umrüstung gegenfinanziert, und der Fördermittelpolitik, wird die Wärmewende nicht gelingen. Denn es wird die Gasnetze brauchen: als Stabilitätsanker für die Mammutaufgaben der Ausweitung der Fernwärme und der Elektrifizierung.

Finanzierung und Investitionsklima nach der Wahl

Eine ernsthafte Befassung mit der Frage der Finanzierung fand im Wahlkampf nicht statt, zumindest wenn man gießkannenartige Fördertöpfe als unrealistisch erachtet. Konzepte abseits von staatlicher Fürsorge waren nicht erkennbar. Konsumtive Ausgaben und Investitionen gerieten durcheinander. Dabei wäre der Abbau von ungleichen Förderungen, wie bspw. der Wärmepumpe, sinnvoll, damit andere Lösungen, wie Tiefengeothermie, eine wirtschaftliche Chance erhalten. Dadurch werden zudem Gelder frei, die anderweitig benötigt werden.

Die Energieversorgung hat für Wirtschaftswachstum – noch mehr als die gesamte Daseinsvorsorge – eine eigene Rolle: Beschleuniger oder Bremser für die Entfaltung der produzierenden Wirtschaft. Egal welche Parteikombination eine neue Regierung bildet, sie wird sehr schnell eine Antwort auf die Frage finden müssen, die die Ampel zerbrechen ließ: Wie lassen sich die notwendigen Milliarden-Investitionen in die Infrastruktur für Energie finanzieren? Ob durch Lockerung der Schuldenbremse oder ein erneutes Sondervermögen oder doch eher Entfesselung von Wachstum und Steuereinnahmen.

Der Umbau muss sich langfristig durch die Privatwirtschaft finanzieren lassen. Der Staatshaushalt kann dies nicht stemmen, daher ist ein Monitoring der Systemkosten notwendig. Die aktive Beeinflussung einzelner technologischer Entwicklungen ist unendlich teuer, im Vergleich zu gezielter Anschubfinanzierungen. Und die Planungen sollten flexibler sein. In einer unklaren Lage ist es das Beste, „auf Sicht zu fahren“, in 5-Jahresschritten zu planen und technische Optionen offenzuhalten, um sukzessiv CO2 abzubauen.
Diese Schritte wären wichtig, um es Banken zu ermöglichen, Fremdkapital in ein Projekt „Wärmewende“ zu geben, bei dem das Risiko-Chancen-Profil wieder stimmt.

Viele Bürger*innen sind sich unsicher, ob der Ausbau der erneuerbaren Energien weiter sinnvoll ist.

Grafik zur Umfrage, wie die erneuerbaren Energien gefördert werden sollen.

 

Den Klimaschutz klug weiterführen

Man muss es offen aussprechen: Ein behutsames Vorgehen könnte eine komplette Rückabwicklung des Klimaschutzes verhindern. Notwendig ist dies, da aktuelle Umfragen von CIVEY die Verunsicherung oder klare Ablehnung der Bevölkerung gegenüber zwei zentralen Steuerelementen der Transformation zeigen: die Förderung der Erneuerbaren und das Heizungsgesetz. Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz: beide Ziele können weiterhin nebeneinander bestehen, wenn auch nicht als das beschworene kurzfristige Öko-Wirtschaftswunder.

Dafür müssen Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit wieder in den politischen Fokus rücken, unabhängig von den Farben einer Koalition. Und ein Zurückkehren zur Stabilität und Vorhersehbarkeit des gesetzlichen Rahmens, denn größere Investitionen lassen sich nur so realisieren. Der Zuschnitt der Ressorts spielt dafür meines Erachtens eher eine untergeordnete Rolle gegenüber dem politischen Personal und vor allem dem Politikansatz, den die zuständigen Kabinettsmitglieder in spe wählen.

 

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FOTOS
Grafiken: © Civey
Titelbild: © GELSENWASSER AG

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