
Vor der Kommunalwahl: GLASKLAR mit Dr. Christine Wilcken
Dr. Arnt Baer / 11. September 2025

Vor der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen sprechen wir mit Dr. Christine Wilcken vom Deutschen Städtetag über die prekäre Lage der Kommunen in Deutschland.
Die Aufgaben werden immer mehr, dabei sind die Kassen oft leer. Die Folgen des Klimawandels treffen dabei die Städte und Gemeinden trotzdem mit voller Wucht. Es geht hierbei oft um eine faire Lastenverteilung zwischen Bund, Land und den Kommunen.
Klimafolgenanpassung ist längst kein Zukunftsthema mehr. Kommunen müssen heute in blau-grüne Infrastrukturen, Katastrophenschutz und Resilienz investieren. Doch vielerorts fehlt das Geld: 186 Milliarden Euro Investitionsstau, marode Infrastruktur und eine strukturelle Unterfinanzierung erschweren die Umsetzung. Dabei tragen Kommunen ein Viertel der staatlichen Aufgaben, erhalten aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen, erklärt Dr. Wilcken.
Sondervermögen als Chance
Mit der Grundgesetzänderung im März 2025 wurde ein Sondervermögen von über 500 Milliarden Euro beschlossen. 100 Milliarden davon für Länder und Kommunen. Doch wie viel davon kommt tatsächlich bei der Daseinsvorsorge an? Dr. Wilcken fordert: Zwei Drittel der Mittel müssen direkt in die Kommunen fließen für Strom- und Wassernetze, Rückbau und Klimaanpassung.
Die Umweltministerkonferenz hat es betont: Die Wasserinfrastruktur ist zentral für die Klimaanpassung. Doch das aktuelle Gebührensystem reicht nicht aus, um die zusätzlichen Investitionen zu stemmen. Der Verband kommunaler Unternehmen spricht von einem Investitionsbedarf von insgesamt 800 Milliarden Euro 2045 für die Instandhaltung. Dabei vertritt die Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers die Auffassung, dass das Sondervermögen nur für echte Klimaanpassung verwendet müsse. Im Tagesgeschäft mache die Branche einen exzellenten Job.

“Wir müssen in unsere Wasserinfrastruktur investieren, um sie fit zu machen für den Klimawandel. Das wird nicht allein über Entgelte finanzierbar sein.”
Dr. Christiane Wilcken
Verursacherprinzip und Bürokratieabbau
Ein weiteres Thema: Die Beteiligung der Verursacher an den Kosten. Erste Schritte sind gemacht, doch Widerstände bleiben etwa aus der Pharmaindustrie. Dr. Wilcken betont nachdrücklich, dass unser Trinkwasser ein besonders wertvolles Gut sei und dass diejenigen, die es verschmutzen und daraus Profit schlagen, sich zwingend an den Kosten und Maßnahmen zum Schutz beteiligen müssten.
Gleichzeitig lähmt übermäßige Bürokratie die Umsetzung. Dr. Wilcken plädiert für mehr Pragmatismus, klare Regeln und den Mut, Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls zu treffen.

Unser Kollege Dr. Arnt Baer und Dr. Christine Wilcken bei der GLASKLAR-Aufnahme.
Zur Person: Dr. Christine Wilcken
Dr. Christine Wilcken hat Jura in Kiel studiert und dort auch promoviert. Seitdem arbeitet sie beim kommunalen Spitzenverband Deutscher Städtetag. Erst im Dezernat Recht und Verfassung, danach als Büroleiterin der Hauptgeschäftsführung. Seit 2022 ist sie Beigeordnete und Leiterin des Dezernats Klima, Umwelt, Wirtschaft, Brand- und Katastrophenschutz. Außerdem ist sie seit dem 1. Juli stellvertretende Hauptgeschäftsführerin.
FOTOS
Porträt: © Deutscher Städtetag / Frank Nürnberger
Podcastaufnahme: © GELSENWASSER AG