Der Bergbau brauchte viel Wasser. Aber auch die Menschen in Gelsenkirchen benötigten Trinkwasser. Gastautor Hans-Joachim Koenen erzählt die Geschichte der Wasserversorgung in Gelsenkirchen. Und wie aus dem Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlenrevier 1887 Gelsenwasser wurde.
Wussten Sie schon, dass das heutige Verwaltungsgericht Gelsenkirchen – die ehemalige Hauptpost (erbaut 1907-1910) – auf dem Gelände vom ehemaligen „Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlenrevier“ – dem Vorläufer von Gelsenwasser – steht?
Als vor 170 Jahren die erste Eisenbahnlinie der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft durch das unberührte Emschertal geführt wurde, erhielt das Dorf Gelsenkirchen Anschluss an die weite Welt. Zu dieser Zeit lebten etwa 500 Menschen rund um die alte Georgs-Kirche und in den umliegenden Bauernhöfen.
Mit dem aufkommenden Bergbau im Dorf Gelsenkirchen und den umliegenden Bauerschaften (Zeche Hibernia Förderbeginn 1858, Holland 1860, Rheinelbe 1861, Alma 1872 und Dahlbusch 1860) stieg die Einwohnerzahl der Gemeinde stark an. Von großer Bedeutung war auch der Bahnhof, denn viele Arbeitskräfte die hier ankamen, blieben in Gelsenkirchen.
Wasserbrunnen versiegten wegen des Bergbaus
Noch in den Anfangsjahren des wachsenden Gelsenkirchens konnte die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser aus den vorhandenen Brunnen aufrechthalten werden. Der Bergbau verursachte nicht nur ein Absinken des Grundwasserspiegels, das ein Versiegen der Brunnen zur Folge hatte, sondern auch sein Verbrauch an Wasser stieg ebenso wie bei der aufkommenden Folgeindustrie, die nach immer mehr Wasser verlangte. Eine durchdachte Wasserversorgung für Menschen und Industrie wurde nötig!
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Erst Gas aus Steinkohle für die Beleuchtung – dann Wasserwerke
Einer der ersten Firmengründer in Gelsenkirchen, die den Segen der Kohle erkannten, war Heinrich Moenting aus Schalke. Schon 1856 gründete er mit dem Belgier Renson die Dampfkesselfabrik Renson & Moenting in der Nähe der Zeche Hibernia. Mit dem Gelsenkirchener Herbert gründete er die Gasanstalt Herbert & Moenting, die am 1. Oktober 1863 in Betrieb ging. Sie errichteten das Gaswerk in der Nähe des Bahnhofs an der Louisenstraße (auch Luisenstraße, der heutigen Vohwinkelstraße), direkt an der im selben Jahr gebauten Wilhelminen-Bahn, die die Zeche Wilhelmine-Victoria mit der Köln-Mindener Bahn verband.
In diesem Gaswerk wurde in einem Ofenhaus Steinkohlegas durch Kohlevergasung hergestellt. Das erzeugte Gas diente hauptsächlich zur Beleuchtung von Industriehallen und des öffentlichen Raumes. Gaslaternen, die noch von Laternenanzündern angezündet werden mussten, beleuchteten die Straßen und Gassen. Hinzu kamen Gasleuchten, die außen vor den Schaufenstern der Geschäfte hingen und die Auslagen beleuchteten. Erst nach und nach eroberte das Gas auch die Privathäuser.
Friedrich Grillo kümmerte sich um die Gründung von Wasserwerken
Ende der 1860er Jahre entstand auf dem Gebiet des heutigen Gelsenkirchens im Norden der Gemeinde Schalke ein zweites Gaswerk. Während die Gasversorgung in Gelsenkirchen schon fast zehn Jahre in Betrieb war, erkannten diejenigen, die die Schrittmacher der Industrialisierung waren, dass zu einer ausreichenden Wasserversorgung ihrer Anlagen und der Bevölkerung Wasserwerke erforderlich waren. So war es vor allem Friedrich Grillo, Gründer vieler Bergwerke und Industrieunternehmen, der sich auch um die Gründung von Wasserwerken kümmerte. So ließ er 1872 in Essen-Steele an der Ruhr ein Wasserwerk errichten, das schon den Namen „Wasserwerk Gelsenkirchen“ trug. Am 21. Dezember 1872 ging es in Betrieb und das aus ufernahen Brunnen gefilterte Grundwasser wurde durch Rohrleitungen nach Gelsenkirchen gepumpt.
Schon im Folgejahr 1873 wurde das Wasserwerk mit den beiden Gaswerken in die „AG Gelsenkirchen-Schalker Gas- und Wasserwerke“ zusammengeführt.
Das Gaswerk am Bahnhof in Alt-Gelsenkirchen wurde dann bis auf den Gasbehälter, der weiterhin als Speicher diente, stillgelegt. Das Schalker Gaswerk versorgte nunmehr die Stadt Gelsenkirchen und die Ämter Schalke und Ückendorf.
Erst „Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlenrevier“, dann Gelsenwasser
Als Grillo begann, sich an Zechen im Raum Castrop zu beteiligen, initiierte er 1885 den Bau eines Wasserwerks in Witten an der Ruhr, um auch das neue Bergbaugebiet mit Wasser versorgen zu können. Die Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft (GBAG) und die Zeche Erin übernahmen das Wasserwerk und gründeten im Januar 1887 unter dem Namen „Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlenrevier“ eine neue Aktiengesellschaft, die dann schon im Juni die „Gelsenkirchen-Schalker Gas- und Wasserwerke“ kauften. Der Sitz der Gesellschaft wurde 1888 von Castrop nach Schalke verlegt.
„Wasserkrieg“ – Umzug von Schalke nach Gelsenkirchen
Das inzwischen (1875) zur Stadt aufgestiegen Dorf Gelsenkirchen versuchte mit allen Mitteln, das „Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlenrevier“ dahin zu bringen, seinen Sitz von Schalke nach Gelsenkirchen zu verlegen. Bürgermeister Wilhelm Vattmann (1847-1902) gewann diesen „Wasserkrieg“ und am 3. Mai 1890 wurde der Wasserlieferungsvertrag unterzeichnet, der auch die Verlegung der Verwaltung zum 1. Dezember 1893 nach Gelsenkirchen vorsah.
Ab jetzt kann man schon von „Gelsenwasser“ sprechen, obwohl das „Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlenrevier“ erst 1973 offiziell in „Gelsenwasser AG“ umbenannt wurde. Als Sitz von Gelsenwasser wurde das ehemalige Gelände des Gaswerkes ausgesucht und 1892 begann man mit dem Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes an der Ecke Gasstraße, L(o)uisenstraße mit Eingang von der L(o)uisenstraße (Hausnummer 13). Dieser dreigeschossige Neubau in einfacher Ziegelbauweise mit Flachdach wurde dann vertragsgemäß am 1. Dezember 1893 bezogen.
Platzmangel: Die Suche nach einem großen Gelsenwasser-Domizil
Da auf dem Grundstück nicht ausreichend Platz für den Betriebshof war, wurde 1892 gleichzeitig die Suche nach einem zusätzlichen Grundstück begonnen. Mit der GBAG wurde man schnell einig. Das Grundstück wurde 1893 erworben. Es lag direkt hinter der Stadtgrenze zu Gelsenkirchen auf Ückendorfer Gebiet. Dorthin führte – von der Bochumer Straße abzweigend – die Rheinelbestraße, die hinter der Stadtgrenze Paßstraße hieß. Hier sollte ein Bürogebäude mit anschließenden Werkstätten entstehen.
Nach Erstellung der Baupläne – für das Bürogebäude wurde einfach der Plan der Hauptverwaltung modifiziert – wurde dann im Mai 1894 die Firma Wilhelm Zimmermann aus Gelsenkirchen mit dem Bau beauftragt, mit der Maßgabe, dass dieser innerhalb von vier Monaten fertiggestellt werden sollte. Somit waren Ende 1894 die Hauptverwaltung und der Betriebshof nicht nur räumlich, sondern auch politisch getrennt.
Doch nur wenige Jahre später änderte sich dieser Zustand, denn 1903 wurde die Stadt Gelsenkirchen mit den umliegenden Gemeinden Schalke, Bismarck, Bulmke, Hüllen und Ückendorf zur Großstadt Gelsenkirchen vereinigt. Jetzt war Gelsenwasser auch politisch „wiedervereinigt“.
Wegen der Namensgleichheit vieler Straßen wurden in Alt-Gelsenkirchen die L(o)uisenstraße in Vohwinkelstraße und die Gasstraße passenderweise in Wasserwerkstraße unbenannt. Die Paßstraße in Ückendorf wurde einfach namentlich an die Rheinelbestraße angehängt und die Hausnummern entsprechend umgeändert.
1962: Umzug der Hauptverwaltung von der Rheinelbestraße an der Willy-Brandt-Allee
Da Gelsenkirchen eine Großstadt werden würde und auch der Neubau des Hauptbahnhofes abzusehen war, hat man seitens des Wasserwerks ab 1900 begonnen das Grundstück in der Nähe des zukünftigen Hauptbahnhofs äußerlich aufzuwerten. Die alten Gebäude der Gasanstalt wurden abgerissen, die relativ neue Hauptverwaltung umgebaut, vergrößert und verputzt und mit zeitgemäßen Bauelementen versehen. Außerdem wurde das restliche Grundstück zu einem großzügigen Garten umgestaltet und mit einer ansehnlichen Mauer eingefasst.
Doch die neue Pracht war fast schon Geschichte. Die Postverwaltung plante einen Neubau für das in der Gelsenkirchener Innenstadt am Neumarkt gelegene alte Postgebäude. Dieser Bau sollte zweckmäßigerweise in der Nähe des Bahnhofes liegen. Dafür bot sich das große Grundstück des Wasserwerks an.Man einigte sich und „Gelsenwasser“ ließ sich an der Rheinelbestraße in direkter Nachbarschaft des Betriebshofes eine neue Hauptverwaltung bauen, die der berühmte Gelsenkirchener Architekt Josef Franke plante. Hierhin zog man 1906 um und das Grundstück konnte für den Neubau der Hauptpost freigemacht werden. Bis 1962 blieb die Hauptverwaltung an der Rheinelbestraße, bevor man zum heutigen Standort an der Willy-Brandt-Allee umzog.
GASTAUTOR
Hans-Joachim Koenen ist Experte für die Gelsenkirchener Geschichte und stellvertretender Vorsitzender des Heimatbund Gelsenkirchen. Er interessiert sich besonders für die Feldmark und schreibt unter anderem auch für die Hefte “Gelsenkirchen in alter und neuer Zeit”.